»Die Rote Hilfe Deutschlands im antifaschistischen Widerstand« (Silke Makowski)
Am 27. Mai 2021 jährt sich der Todestages der Antifaschistin Frieda Seidlitz zum 85. mal. Frieda Seidlitz war in den 30ern eine wichtige Aktivistin der Rote Hilfe aus Berlin-Weißensee. Sie wurde einen Monat lang verhört und gefoltert und verriet keine:n ihrer Genoss:innen.
Anlässlich von Frieda Seidlitz’s Todestag am 27. Mai 2021 organisiert die Kampagne »Frauen im Widerstand« eine Gedenkdemonstration.
(16.30 Uhr, Antonplatz, Weißensee)
Silke Makowski vom Hans-Litten-Archiv der Roten Hilfe hat als Beitrag zum aktiven Gedenken an Frieda zwei Texten zur Geschichte der Roten Hilfe Deutschland verfasst. In einem Beitrag thematisiert sie die wichtige Rolle der »Frauen in der illegalen Roten Hilfe Deutschlands (RHD)«. In ihrem Text »Die Rote Hilfe Deutschlands im antifaschistischen Widerstand« beschreibt Makowski, wie die RHD ihre Arbeit auch unter der Naziherrschaft noch lange fortsetzen konnte, da sie als linke Massenorganisation vor allem in Arbeiter*innenmmilieus tief verwurzelt war. Zudem geht sie auf die Repression gegen die Rote Hilfe Weißensee (und Nordberlin) und deren Einheitsfrontbestrebungen ein. Dieser historische Link ist nicht nur naheliegend, weil Frieda Seidlitz eine Weißenseer Rote Hilfe-Aktivistin war, sondern weil das Jahr 1936 neben Friedas Ermordung auch dass Jahr markiert, in dem die Rote Hilfe im Berliner Norden von der Gestapo zerschlagen wurde. Damit wurde damals eine der letzten noch aktiven RHD-Strukturen in Berlin zerschlagen. Obgleich die Verhältnisse damals völlig andere waren, kann die Beschäftigung mit der Frage, wie linke Strukturen auch unter autoritär(e)ren Verhältnissen handlungsfähig bleiben, auch heute für unsere Arbeit als linke Bewegung von Nutzen sein.
Die Texte von Silke Makowski
– »Frauen in der illegalen Roten Hilfe Deutschlands (RHD)«
– »Die Rote Hilfe Deutschlands im antifaschistischen Widerstand«
(Werbe)banner für die Texte:
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Die Rote Hilfe Deutschlands im antifaschistischen Widerstand
»Nach vorsichtiger Schätzung dürften in Berlin etwa 3000 Mitglieder erfasst sein«
von: Silke Makowski (Hans-Litten-Archiv)
Die KPD-nahe Rote Hilfe Deutschlands (RHD) war 1924 als reichsweite Solidaritätsorganisation gegründet worden und entwickelte sich bald zu einer der bedeutendsten Massenorganisationen. Vor allem die ArbeiterInnenbewegung sympathisierte mit den zentralen Arbeitsfeldern der RHD – der materiellen Unterstützung der politischen Gefangenen und ihrer Familien, dem Rechtsschutz für angeklagte AktivistInnen und dem Kampf gegen die zunehmende Repression. Der schnell wachsende Bezirk Berlin-Brandenburg stand im Sommer 1932 mit 95.021 Individualmitgliedern in 477 Ortsgruppen und hunderttausenden in Kollektivmitgliedschaften erfassten BeitragszahlerInnen unangefochten an der Spitze. Hier war es vorbildlich gelungen, nicht nur eine große Zahl von Frauen für die Solidaritätsarbeit zu gewinnen – ihr Anteil lag mit einem Drittel deutlich über dem reichsweiten Durchschnitt –, sondern auch die parteilosen Roten HelferInnen dauerhaft einzubinden: Im Frühjahr 1932 gehörten 62 Prozent der RHD-FunktionärInnen in Berlin-Brandenburg keiner Partei an, während in den meisten Regionen die KPD-AnhängerInnen die Posten dominierten.
Zu dieser Zeit traf die Rote Hilfe erste Vorkehrungen für ein mögliches Verbot, denn zu Beginn der 1930er Jahre verschärfte sich die Repression gegen die ArbeiterInnenbewegung extrem. Allerdings blieben die Vorbereitungen oberflächlich und unvollständig, weil die AktivistInnen mit der großen Zahl an Prozessen und Gefangenen sowie der Beschaffung der notwendigen Spendengelder ständig überlastet waren.
Auch die Machtübertragung an die Nazis wurde von der RHD zunächst noch deutlich unterschätzt, und der in Berlin ansässige Zentralvorstand empfahl verstärkte Massenarbeit und öffentliche Proteste gegen den NS-Terror, statt die Umstellung auf die Illegalität voranzutreiben. Im Rundschreiben vom 4. Februar 1933 rief die Reichsleitung ein »Antifaschistisches Werbeaufgebot der Roten Hilfe« aus und beurteilte die bisherigen Schritte allzu optimistisch: »Wir glauben, daß damit die erforderliche Schlagkraft der Organisation geschaffen wurde, die dem Ansturm des Faschismus gewachsen ist und die ihre Aufgabe in den kommenden Kämpfen zu erfüllen vermag« (GLA KA 234/10129, S. 14).
Bereits am 14. Februar 1933 wurde das RHD-Bürogebäude in der Dorotheenstraße 77/78 von einem Polizeigroßaufgebot durchsucht und am 2. März samt Inventar beschlagnahmt; wenige Tage später wurde die RHD im gesamten Reichsgebiet verboten. Die Massenverhaftungen nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 trafen auch die Solidaritätsorganisation hart, und in Berlin wurden neben führenden FunktionärInnen zahllose Basismitglieder in die Konzentrationslager verschleppt. In den meisten Stadtteilen waren die Strukturen weitgehend zerschlagen, und nur einzelne Häuserblockzellen organisierten wenigstens Direkthilfe für die Verfolgten im unmittelbaren Wohnumfeld. Es dauerte Monate, um die Bezirks- und Stadtteilleitungen wieder aufzubauen und die abgerissenen Verbindungen mit den verbliebenen Gruppen neu zu knüpfen, und erst im September 1933 notierte der Zentralvorstand eine merkliche Besserung, als eine neue Leitung gebildet werden konnte. Doch die Lage blieb schwierig, und im Organisationsbericht von Mitte November 1933 heißt es : »Nach vorsichtiger Schätzung dürften in Berlin etwa 3000 Mitglieder kassentechnisch erfasst sein. Jedoch (…) hat die Tendenz der Kassierung bis zu diesem Monat einen rückläufigen Charakter« (SAPMO RY1/I4/4/27 Bl. 27), und nur zwei Bezirksgruppen rechneten mit dem Vorstand ab. Sammlungen wurden demnach kaum durchgeführt, statt der vorgesehenen zwölf InstrukteurInnen waren bloß sechs tätig, und nur zwei Unterbezirke brachten selbstständig Zeitungen heraus. Dass die Auflage des an RHD-FunktionärInnen adressierten »Informationsdienstes« der Bezirksleitung gerade einmal 300 Exemplare betrug, belegt die noch spärliche Vernetzung.
Nachdem sich im Herbst 1933 eine arbeitsfähige Bezirksleitung für Berlin-Brandenburg um den Sozialisten Hans Seigewasser gegründet hatte, erlebte die illegale RHD-Arbeit in vielen Stadtteilen einen Aufschwung. Außer den eigenen Spendensammlungen und Mitgliedsbeiträgen konnten die Basisgruppen hohe Zuschüsse vom Zentralvorstand verteilen, der über KurierInnen Unterstützung von den befreundeten Rote-Hilfe-Organisationen anderer Staaten bekam. Neben der materiellen Versorgung der Familien der inhaftierten GenossInnen führte die Rote Hilfe die Öffentlichkeitsarbeit gegen den NS-Terror fort, indem sie die im Ausland gedruckten und eingeschmuggelten RHD-Publikationen, darunter die zentrale Zeitung »Tribunal«, vertrieb oder mit Flugblättern gegen lokale Verfolgungsmaßnahmen protestierte. In mehreren Unterbezirken brachten die Solidaritätsgruppen sogar regelmäßig lokale Untergrundzeitungen heraus, darunter das »Kleine Tribunal« im Wedding und das »Tribunal Prenzlauer Berg«. Im Juli 1934 hielt der Halbjahresbericht des Zentralvorstands fest: »An der Spitze der Bezirke marschiert Berlin mit 9 Unterbezirkszeitungen, die teilweise politisch und technisch glänzend aufgemacht sind« (SAPMO RY 1 I 4/4/27 Bl. 88), und verwies auf Belegexemplare unter anderem aus Nord, Nordost und Weißensee.
Neben den üblichen Leitungsfunktionen waren im Bezirksvorstand Berlin-Brandenburg auch noch eigene Ressorts für Presse und für die Werbung unter den Frauen geschaffen worden, was zusätzliche Aktivitäten ermöglichte, und InstrukteurInnen gewährleisteten die Kommunikation zwischen den Stadtvierteln. Dass der engagierte Organisationsleiter Hans Seigewasser anfangs Sozialdemokrat und danach in der Sozialistischen Arbeiterpartei tätig gewesen war, erleichterte es, SympathisantInnen außerhalb des KPD-nahen Spektrums zu finden und wenigstens in der Solidaritätsarbeit die Einheit der verfeindeten ArbeiterInnenparteien herzustellen. Mit 2700 über die zentrale Kassierung erfassten Mitgliedern im Sommer 1934 und zahllosen UnterstützerInnen in Spendenkreisen stellte die Rote Hilfe eine der bedeutendsten Widerstandsorganisationen der Stadt dar.
Einen schweren Schlag bedeutete die Verhaftung fast der gesamten RHD-Leitung von Berlin-Brandenburg im Herbst 1934, und auch Seigewassers Nachfolger Curt Bartz fiel der Gestapo nach wenigen Wochen in die Hände. Am Jahresende hatte der Zentralvorstand keine Verbindung zum Bezirksvorstand, obwohl bereits ein neues Gremium in Gründung war, dem unter anderem Fritz Hödel aus Weißensee angehörte. Er sammelte die schwer getroffenen RHD-Stadtteilgruppen und setzte die bereits unter Seigewasser vorangetriebene Annäherung an sozialdemokratische Kreise fort. Einer der größten Erfolge war das Einheitsabkommen mit der SPD-Bezirksleitung im Juni 1935, in dem die gemeinsame Solidaritätsarbeit festgelegt wurde und dessen Text auf zehntausenden Flugblättern verbreitet wurde. Abgesehen von vierstelligen Unterstützungszahlungen für die sozialdemokratischen Gefangenen und einigen Aufrufen konnte das Bündnis aber nicht wirksam umgesetzt werden, weil der Prager SPD-Exilvorstand intervenierte und die Zusammenarbeit unterband.
Zu diesem Zeitpunkt waren die Kontakte zu vielen RHD-Unterbezirken unterbrochen, und laut einem Bericht des Zentralvorstands für die Monate Januar bis Juli 1935 lagen nur aus acht Stadtteilen Angaben zu den teils spärlichen Mitgliederzahlen vor, wobei Steglitz-Zehlendorf mit 90 regelmäßig kassierten Roten HelferInnen an der Spitze stand. Zum gesamten Südosten war die Verbindung abgerissen, so dass insgesamt nur etwa 500 BeitragszahlerInnen zentral erfasst waren – ein enormer Einbruch gegenüber den Zahlen vom Vorjahr. Allerdings wurde das System der lockeren Spendenkreise vorangetrieben; durch diese unverbindlichere Organisierung konnte sich die RHD auf breitere antifaschistische Kreise ausdehnen. Außerdem gelang es dem Bezirksvorstand um Hödel, die verbliebenen RHD-Gruppen in einigen Unterbezirken zu stärken, und dank der Betreuung durch InstrukteurInnen und der Belieferung mit RHD-Publikationen behielt die Arbeit zumindest eine gewisse Kontinuität. Mit dem 14-tägig erscheinenden »Informationsdienst« brachte die Berliner Leitung weiterhin ein eigenes Blatt für FunktionärInnen heraus, und weil die Lieferungen des im Ausland gedruckten »Tribunal« teilweise ausblieben oder nicht ausreichten, wurde eine Zeitung mit diesem Titel im Abzugsverfahren hergestellt.
Auch im Nordosten leisteten gut organisierte illegale RHD-Strukturen dauerhaft und in großem Maßstab Unterstützungs- und Öffentlichkeitsarbeit. In der besonders leistungsstarken Roten Hilfe Weißensee war der spätere Bezirksleiter Fritz Hödel prägend, der im September 1933 die Stadtteilleitung von Erich Vogt übernommen hatte. »Gemeinsam mit der Genossin Anna Gerichow gelang es, die Rote Hilfe wieder illegal stark vorwärts zu treiben, einzelne Organisationen wie den ASW (Arbeiter-Sportverein Weißensee) als Kollektiv-Mitglieder und Beitragszahlende anzuschließen (…), eine illegale Rote-Hilfe-Zeitung ‚Hand in Hand‘ herauszugeben« (zit. n. Sandvoß, Widerstand in Prenzlauer Berg und Weißensee, Berlin 2000, S. 153), wie Hödel später berichtete. In dieser Phase waren im Stadtteil fast 400 Rote HelferInnen erfasst, und außer den Familien der Gefangenen konnten Dutzende Untergetauchte auf dem Weg ins Exil finanziell unterstützt und ausgeschleust werden. Auch wenn die Zahl der Mitglieder im Folgejahr sank, wurden von Hödels enger Mitarbeiterin Käte Kaufmann, die unter anderem die Finanzen des Unterbezirks verwaltete, und mehreren UnterkassiererInnen viele Basiszellen erfasst, und von den früher sechs Stadtteilgruppen waren noch das Französische Viertel, Balkan, Seegebiet, Mücken- und Laubenviertel aktiv. Mit den gesammelten Beiträgen und Spenden unterstützte die RHD Weißensee die Familien inhaftierter AntifaschistInnen regelmäßig mit festen Summen und Sachspenden, und bei Finanzknappheit wurden weitere Solidaritätsgelder beim Bezirksvorstand abgerufen. Als Hödel auf Bezirksebene tätig wurde, wurde Friedrich Walter sein Nachfolger als Politischer Leiter für die Rote Hilfe Weißensee, bis Ende 1935 Karl Barth ihn ablöste. In der Wohnung von Walter wurde im Winter 1935/36 auch die letzte Berliner Stadtbezirkszeitung »Bruderhand« produziert, von der drei oder vier Ausgaben mit jeweils bis zu 500 Exemplaren erschienen und die im ganzen Nordosten verbreitet wurde. Die Erstellung der Matrizen einschließlich der Zeichnungen übernahm Käte Kaufmann, die auch schon früher regelmäßig Manuskripte für illegale Schriften abgetippt hatte. Laut dem Urteil gegen Friedrich Walter u. a. vom 11. Februar 1937 beschaffte sie auch mehrere tausend Blatt Papier und die Matrizen – eine sehr gefährliche Aufgabe, da der Verkauf von Druckbedarf streng überwacht wurde. Den benötigten Abzugsapparat bezog die Gruppe über den Sozialdemokraten Leopold Abraham, der als Vertreter für Vervielfältigungsgeräte arbeitete und seit Beginn der Illegalität kommunistische Widerstandsgruppen mit Material versorgte.
Zum Jahresanfang 1936 wurde die Berliner Rote Hilfe umfassend umstrukturiert und die 35 Unterbezirke in vier Stadtbezirke aufgeteilt, denen jeweils eine dreiköpfige Leitung (»Dreierkopf«) vorstand. Zum Abschnitt A gehörten neben Pankow, Nordring, Weißensee und Prenzlauer Berg auch Friedrichshain und Lichtenberg. Fritz Hödel als Politischer Leiter bildete zusammen mit dem Organisationsleiter Gustav Tscharniel aus Weißensee und dem Agitprop-Leiter Max Sellheim, zuvor RHD-Instrukteur für Pankow und Nordring, das verantwortliche Gremium. Das Urteil gegen Hödel u. a. vom 2. November 1937 nahm an, dass in diesem Gebiet allein im November und Dezember 1935 mindestens 2400 RM Unterstützung an die Familien von Gefangenen ausgezahlt wurden.
Die Stadtgebietszeitung »Bruderhand« sowie weitere verbotene Druckschriften, die aus dem Ausland eingeschmuggelt wurden, gingen über geheime Verteiladressen in alle Unterbezirke. Eine Schlüsselrolle bei Beschaffung und Vertrieb dieser Publikationen sowie bei der Kommunikation mit der RHD-Exilstelle in Prag hatte Frieda Seidlitz inne, die als Kurierin Informationen und große Mengen Literatur übermittelte. Im Prozess gegen Hödel nahm das Gericht an, dass allein ein Paket, das sie ihm im März 1936 am Bahnhof Wedding übergab, mehrere tausend Streuzettel mit Amnestieforderungen, je 447 Ausgaben verschiedener »Tribunal«-Nummern, Unterlagen für FunktionärInnen sowie Ausgaben der »Roten Fahne« und der »Inprekorr« enthalten hatte.
Auch in den anderen Unterbezirken standen vor allem bis 1936 aktive Rote-Hilfe-Strukturen den Angehörigen der Gefangenen zur Seite und beteiligten sich am Literaturvertrieb. So arbeitete in Pankow-Vineta eine Solidaritätsgruppe, die 1935 zunächst von Max Sellheim, danach von Max Uecker geleitet wurde; für die Kasse war Wanda Chalaska verantwortlich. In Pankow-Land sorgten Rote HelferInnen um Willi Behr und Edmund Stude dafür, dass zumindest einige Familien im Viertel finanzielle Zuschüsse erhielten. Die illegale RHD in Friedrichshain II hatte mit Paul Balke, Alfred Breiter und Hermann Schubert eine stabile Leitung, die außer einer Reihe KPD-AnhängerInnen acht Kleingruppen von parteilosen RHD-Mitgliedern kassierte, und laut den Gerichtsakten wurden rund 15 Familien regelmäßig unterstützt. Auch in Friedrichshain wurden demnach die RHD-Zeitungen »Informationsdienst« und »Tribunal« verkauft.
Ebenfalls starke Solidaritätsstrukturen existierten in Prenzlauer Berg, wo lange Zeit neben der Roten Hilfe auch noch die befreundete Internationale Arbeiterhilfe (IAH) Spenden für die Verfolgten sammelte, bis sie im Herbst 1935 in die RHD überführt wurde. Ebenso wie die IAH, die im Stadtteil die Zeitung »Solidarität« herausbrachte, unterhielt auch die Rote Hilfe mit dem »Tribunal Prenzlauer Berg« bis Ende 1934 ein regelmäßiges lokales Blatt. Später wurden die Druckschriften des Bezirksvorstands und im Ausland produzierte Materialien an die Mitglieder verkauft. Ab Herbst 1935 hatte Karl Barth den Posten des RHD-Unterbezirksleiters inne, der in seiner Arbeit von der erfahrenen und äußerst engagierten Hauptkassiererin Elisabeth Vopatek unterstützt wurde. Anfang 1936 traf eine massive Repressionswelle das gesamte Stadtgebiet A und erfasste auch die RHD Prenzlauer Berg.
Im Februar 1936 begannen die Verhaftungen, denen neben praktisch der gesamten Stadtgebietsleitung um Hödel und dem Technischen Apparat um Max Treder und Charlotte Gerbeit auch zahllose einfache BeitragszahlerInnen zum Opfer fielen. Unter den wochenlangen unvorstellbar brutalen Folterungen durch die Gestapo brachen viele Rote HelferInnen zusammen und belasteten sich und ihre GenossInnen. Andere beschränkten sich darauf, die bereits unwiderlegbaren Beweise zu bestätigen und stritten alles Darüberhinausgehende ab – eine Strategie, die für solche Notfälle empfohlen worden war. Auf diese Weise konnten die faschistischen Repressionsorgane immerhin nur einen Teil der Widerstandsarbeit entdecken, wie die unvollständigen und widersprüchlichen Prozessakten zeigen, und sicherlich blieben einige RHD-Zellen durch das beharrliche Leugnen unentdeckt. Die Kurierin Frieda Seidlitz, die seit vielen Monaten die Verbindungen innerhalb Berlins und nach Prag gepflegt hatte und zahllose Kontaktpersonen kannte, verweigerte trotz unvorstellbarer Qualen wochenlang die Aussage und beging schließlich Selbstmord, um keine MitstreiterInnen zu verraten.
Von dem vernichtenden Repressionsschlag, der allein in den RHD-Unterbezirken Prenzlauer Berg und Weißensee sieben Prozesse mit 72 Angeklagten nach sich zog, erholten sich die Solidaritätsstrukturen im Stadtgebiet A nie wieder. Auch in anderen Teilen Berlins rissen die Verbindungen durch Verhaftungswellen ab, und im Sommer 1936 waren dem Zentralvorstand nur noch aus dem südöstlichen Stadtgebiet C einige koordiniert arbeitende RHD-Strukturen bekannt, die laut eigenen Angaben rund 300 Familien unterstützten. Trotzdem liefen auch im Nordosten die Unterstützungsaktionen auf kleiner Flamme weiter, indem weitgehend isolierte Spendenkreise und RHD-Gruppen die Verfolgten im direkten Wohnumfeld unterstützten.
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